Vom Weltmeister zum Außenseiter?
Jogi Löw hat Deutschland im Sommer 2014 in Brasilien zum vierten Weltmeister-Titel nach 1954, 1974 und 1990 geführt. Zu diesem Zeitpunkt war die DFB-Auswahl die stärkste Nationalmannschaft der Welt. Vielleicht nicht von der individuellen Klasse der Spieler, doch als Kollektiv machte Deutschland so schnell keiner etwas vor. Vielleicht nahm man die großen Erfolge zu dieser Zeit zu selbstverständlich, denn seitdem zeigt die Formkurve kontinuierlich nach unten. Hat man bei der Euro 2016 zumindest noch das Halbfinale erreicht, folgte 2018 in Russland als amtierender Titelverteidiger schon das Aus in der Gruppenphase.Auch in der Nations League wurde es nicht besser. Bei der ersten Auflage wäre Deutschland abgestiegen, hätte die UEFA nicht kurzerhand die Regularien geändert. Und auch im laufenden Wettbewerb kann der vierfache Weltmeister nicht überzeugen: nur ein Sieg aus vier Spielen. Rang eins ist nur noch möglich, weil auch die Spanier zuletzt Probleme zeigten. Die derzeitige Konstellation spiegelt jedoch gut die aktuelle Situation der Mannschaft wider. Den großen Nationen läuft man nach wie vor hinterher. Nicht nur in der Tabelle, sondern auch, was die Weiterentwicklung der Mannschaft betrifft.
Turniermannschaft Deutschland
Der Bundestrainer begründet die dürftigen Leistungen und die ausbleibenden Resultate oftmals mit dem noch lange nicht vollzogenen Umbruch innerhalb des Teams. Dass Löw gerne mal Experimente eingeht, hat sich seit seinem Amtsantritt im Jahr 2006 bestätigt. Ganze 110 Profis feierten unter dem Schwaben ihr Debüt im Nationaltrikot. Zuletzt beim 3:3 gegen die Türkei waren das Florian Neuhaus, Jonas Hofmann und Mahmoud Dahoud. Bei derart vielen Debüts muss Löw auch zwangsweise immer wieder sein System und die taktische Ausrichtung umstellen und an die Spieler auf dem Feld anpassen. Dass dies zu Abstimmungsproblemen führt, ist nur logisch.Jetzt kann sich der Bundestrainer solche Experimente noch erlauben, doch bis zur Endrunde im Sommer 2021 muss die Mannschaft stehen und eingespielt sein. Dann will Deutschland seinem Ruf als Turniermannschaft wieder gerecht werden und die Fußball-Quoten bei bet365 bestätigen. Dort zählt die DFB-Elf mit 8,00 nämlich nach wie vor zu den Titelfavoriten neben England (6,00), Belgien (6,50), Frankreich (6,50), den Niederlanden (8,00) und Spanien (8,00). Und schaut man einmal über die deutschen Grenzen hinaus, haben auch die europäischen Rivalen so mit ihren Problemen zu kämpfen.
Top-Favoriten in der Findungsphase
Vor allem England und Belgien wird beim anstehenden Großereignis viel, wenn nicht sogar der Titel, zugetraut. Doch das ist bei den Belgiern schon seit mehreren Jahren der Fall und am Ende standen die Roten Teufel immer mit leeren Händen da. Auch ein 1:1 wie zuletzt im Test gegen die Elfenbeinküste zeugt nicht gerade von einer Mannschaft, die im kommenden Jahr nur so durchs Turnier pflügen wird. England hat Belgien gerade erst mit 2:1 geschlagen, doch die jungen Wilden von der Insel sorgen auch immer wieder außerhalb des Platzes für Schlagzeilen. Derartige Ablenkungen gibt es bei den Deutschen nicht und genau solche Eskapaden könnten den Three Lions am Ende doch wieder den lang ersehnten Titel kosten.
Die Niederlande warten seit dem Trainerwechsel von Ronald Koeman zu Frank de Boer nach wie vor auf den ersten Sieg. In Frankreich wird Trainer Didier Deschamps die falsche Wahl der Spieler vorgeworfen und sogar der Charakter der Mannschaft infrage gestellt. Spanien spielt zwar souveränen Fußball, doch es fehlt ein echter Torjäger. Das zeigte sich zuletzt wieder deutlich. Nur ein Tor gelang in den Spielen gegen Portugal (0:0), die Schweiz (1:0) und die Ukraine (0:1).
Löws letztes Turnier
In Deutschland sollte man die derzeitigen Probleme bei der Nationalmannschaft also nicht zu kritisch sehen. Auch andere Nationen sind längst noch nicht in Turnierform. Und den sportlichen Wert der Nations League darf man zumindest anzweifeln. Löw sieht die Spiele weiterhin als Test und Vorbereitung für die Euro. Wenn der Bundestrainer nicht jetzt experimentieren kann, wann dann?
Bei der Endrunde im kommenden Jahr muss die Mannschaft funktionieren. Dies wird auch die Zukunft von Löw beeinflussen. Dankt der Bundestrainer mit einem weiteren großen Titel ab, hängt er noch zwei weitere Jahre dran, oder ist er nach einem weiteren indiskutablen Turnierverlauf nicht mehr tragbar? Löw hat seine fachliche Kompetenz sicher nicht verloren und wird sich in jedem Spiel seine Gedanken über Aufstellung und Taktik machen. Immerhin geht es um sein Vermächtnis beim DFB. Löw könnte bald der erfolgreichste Bundestrainer aller Zeiten sein. Mehr Spiele hat im Schnitt nur Jupp Derwall gewonnen. Mit dem Gewinn der Euro könnte Löw auch der Bundestrainer mit den meisten Titeln werden. Neben der WM 2014 hat Löw auch den Confed-Cup 2017 gewonnen. Einzig Helmut Schön (Euro 72, WM 74) kommt ebenfalls auf zwei Titelgewinne.